Dubrovnik
Letzte Woche, er war noch keinen Monat unterwegs, hat Theo die 2000 Kilometer-Marke geknackt. Nach der Alpenüberquerung führte ihn sein Weg von Venedig, an der kroatischen Küste entlang, über die Inseln Cres, Krk und Rab bis in die Stadt Dubrovnik.
Unterwegs hat Theo mit weltreisenden Sozialisten debattiert, Drohnenaufnahmen vom türkisblauen Meer gemacht und kroatischen Senioren in einem Restaurant gelauscht, wie sie lautstark ihre Lieder schmetterten.
„Gerade bin ich in Bosnien-Herzegowina reingefahren“ scheibt er am 28. März. Und eine gute halbe Stunde später „Fahre jetzt wieder raus.“ Der sogenannte Neum-Korridor, eine winzige Landzunge, die an der kürzesten Stelle nur 5 km breit ist, durchbricht als einziger Küstenzugang von Bosnien und Herzegowina das kroatische Staatsgebiet – und damit die Europäische Union. „Sie wissen, dass Sie gerade eine Grenze überqueren?“ fragt ihn der Grenzbeamte auf Englisch. Ob er etwas zu verzollen habe, Waffen oder Pfefferspray bei sich trage? Theo zeigt seinen Reisepass und verneint die Frage. Zum ersten Mal auf seiner Tour hat er die EU verlassen – um sie kurz darauf wieder zu betreten. Da es in Bosnien-Herzegowina Geschäften nicht erlaubt ist, etwas anderes als die „Konvertible Mark“ anzunehmen und er nur Euro und kroatische Kuna bei sich trägt, hält Theo sich nicht länger auf. Am späten Nachmittag kommt er in Dubrovnik an.
Über Skype gibt mein Freund mir eine „Tour“ durch sein geräumiges Appartement. Nachdem er die letzten Wochen gut durchgekommen ist, gönnt er sich hier eine Pause von vier Tagen und Nächten. Er wird ruhen (insbesondere sein Hintern braucht eine Auszeit), Videos schneiden und Notwendigkeiten erledigen, wie den Besuch von Waschsalon und Fahrradwerkstatt. Durch Theos Handykamera sehe ich direkt gegenüber der Haustür eine imposante Mauer emporragen. Ich habe die Assoziation mit einem mittelalterlichen Verließ. Tatsächlich ist es die Stadtmauer. Als Teil der Befestigungsanlage umschließt sie, zusammen mit Festungen, Bastionen und Türmen, bis heute den historischen Kern der Stadt. Die Altstadt, heißt es, sieht weitgehend noch genauso aus wie im 13. Jahrhundert, als sie erbaut worden war. 1979 wurde sie zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Theo ist begeistert. Weil ihm Venedig zu eng und, trotz Nebensaison, touristisch war, hätte er Dubrovnik beinahe zugunsten der umliegenden Dörfer ausgelassen. Jetzt ist er froh, dass er hier ist und schickt mir noch ein Foto vom Hafen: kleine Boote, Meer und Palmen neben Burgzinnen. „Wie im Film“, denke ich, so unwirklich erscheint das Bild. Und tatsächlich: Teile der bekannten TV-Serie „Game of Thrones“ wurden in Dubrovnik gedreht. Für den Dreh verwandelte sich die Altstadt – mit digitaler Unterstützung – in das große „Königsmund“, wo entscheidende Szenen der Geschichte spielen.
Das Hafenbild zeigt, wie bisher alle Fotos und Videos, die Theo durch den Äther gejagt hat, strahlend blauen Himmel. Vom Tag seines Aufbruchs an, schien die Sonne und etwa seit Italien waren auch die Temperaturen frühlingshaft. Doch das Tiefdruckgebiet Jana, das bei uns für Nässe sorgt, soll auch Südosteuropa nicht verschonen. Am nächsten Morgen meldet Theo: „10 Grad, Regen“. Ab Kilometer 2001 wird es ungemütlich.