Der Klima-Radler im Mittleren Osten

Die Autonome Region Kurdistan ist direkt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Verminderte Regenfälle, die steigende Schneegrenze in den Bergen, die erhöhte Anzahl von Sandstürmen und vermehrte Starkregenfälle, die ganze Brücken am Tigris wegspülen sind eindeutige Symptome die den Klimawandel sichtbar machen. Im gesamten Irak und in Syrien fehlt es zudem an sauberem Trinkwasser. Vor wenigen Tagen habe ich mich mit Mitarbeitern einer NGO unterhalten, deren Aufgabe es ist Tankwagen mit Trinkwasser in die betroffenen Region nach Nordsyrien zu fahren. Der Irak gilt außerdem als das weltweit am fünftstärksten vom Klimawandel betroffene Land.

Neben den politischen Ursachen, wie zum Beispiel der Staudammbau in Diyarbakır(Türkei), im “Kampf der Türkei gegen kurdische Terrororganisationen” (ähnliches geschieht aus ähnlichen Gründen auf der iranischen Seite) gibt es natürlich auch hausgemachte Probleme wie zum Beispiel der Mangel an Recyclingeinrichtungen und die Verschmutzung landwirtschaftlicher Flächen. Abwässer und Industrieabfälle werden oft direkt und ohne Klärung in große Flüsse geleitet, wobei sie die Trinkwasserreserven kontaminieren. Auch die Zunahme von Autos wird als Grund genannt. Nach über einer Woche in der Hauptstadt der Region Erbil kann ich dies – zumindest anekdotenhaft – bestätigen. Die Stadt atmet Kraftstoff und Abgase: Aus Fahrzeugen und aus Stromerzeugern. Letztere stellen die Stromversorgung in den größeren Gebäuden sicher, da das Stromnetz insbesondere im Sommer mehrfach am Tag zusammenbricht. An keiner Stelle sollte man außerdem vergessen, dass an den Grenzen zur Region zum Beispiel nahe Mossul und Kirkuk immer noch gegen den IS gekämpft wird.

Ich möchte an dieser Stelle nochmal betonen was für ein fantastischer Ort die Autonome Region Kurdistan ist. Hier leben und arbeiten neben Kurden, Araber, Armenier, Azerbaidjaner, Turkmenen und Assyrer eine nicht unwesentliche Menge an westlichen Unternehmern, NGOs und Expats. Außerdem gibt es Arbeitsmigration aus Nepal, Bangladesh und den Philippinen. In Kurdistan ist, unter anderem auch durch Investitionen aus dem Ausland, eine große Mittelschicht entstanden. Den Menschen hier geht es im Vergleich zum Rest des Irak überdurchschnittlich gut. Erbil ist eine multikulturelle Stadt in der Tradition und Moderne besser miteinander auskommen, als in jedem anderen Land, dass ich bisher besucht habe. Die Menschen hier empfangen mich mit offenen Armen und einer Herzlichkeit, der ich so noch nie begegnet bin. Iraqi Kurdistan übt einen unglaublichen Sog auf alle aus, die hier Leben und Arbeiten. Auch ich als einer der wenigen westlichen Touristen, kann mich diesem Sog nur schwer entziehen.

Deswegen bin ich auch der letzte, der ein fremdes Land kritisieren möchte. Ich hab die Widrigkeiten nur exemplarisch aufgelistet unter denen die Autonome Region Kurdistan zu leiden hat, um eine Parallele zu meinem Land Deutschland und meiner Region Europa ziehen zu können. Wenn man die Balkankriege ausklammert, konnten wir bis vor wenigen Monaten auf über 70 Jahre Frieden in Europa zurückschauen. Wir leben im Frieden und im Wohlstand. Wir sind privilegiert.

Ich bin Baujahr 1977. Ich kenne keinen Zeitpunkt in meinem Leben, in dem ich nicht schon darauf aufmerksam gemacht wurde, dass unser Regenwald verschwindet, das Ozonloch größer wird und fossile Brennstoffe irgendwie keine gute Idee sind. Wenn wir also als Lebewesen auf diesem Planeten überleben möchten, wir sofort beginnen müssen etwas an unserem Verhalten zu ändern. Seit 44 Jahren höre ich also von der Generationsaufgabe, die vor uns liegt. Offenbar ist das auch der Haken an der Aufgabenstellung. Wir müssen über uns selbst hinauswachsen und weiter denken, als unser Eigenheim, unseren Familien-Kombi oder unseren jährlichen Sommerurlaub auf Malle / auf Rügen / in den Bergen. Dies ist uns bis heute offensichtlich nicht gelungen.

Sogar jetzt, wo uns jemand einen “Staudamm vor die Tür setzt” und uns den Gashahn abdreht, ist die Anzahl der Menschen, die sich die Taschen mit Geld voll machen möchten offenbar kein bisschen gesunken. Kritiker belächeln gerne, dass wir in Deutschland den Planeten retten wollen. Wenn wir damit beginnen uns von der fossilen Industrie unabhängig zu machen und den Fokus auf klimaneutrale Technologien legen, entziehen wir einem Wirtschaftszweig seine unangefochtene Macht. Eine Macht wegen der seit Jahrzehnten Kriege geführt werden und Menschen sterben müssen und dessen unangenehme Wahrheit lautet: Wir sind zu allem bereit unseren Wohlstand zu sichern.

Ich glaube fest daran, dass es in der deutschen Bevölkerung eine Mehrheit gibt, die bereit ist die notwendigen Schritte in eine nachhaltige Zukunft zu gehen. Die Industrielobby bestimmt seit Jahrzehnten das Tagesgeschäft der Politik. Wir müssen uns in der Zivilgesellschaft mehr Gehör verschaffen und unseren Vertretern im Parlament und in der Bundesregierung klar machen, was wir möchten. Ein Möglichkeit Einfluss drauf zu nehmen, ist die finanzielle Unterstützung oder persönliches Engagement in einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich dem Klimaschutz verschrieben hat.

Ich unterstütze die Klimaschutzorganisation GermanZero und möchte euch hiermit aufrufen es mir gleich zu tun.